Interview mit Carina Behrens, Sprecherin der AG Begleitung, über die Begleitung von Flüchtlingen zu Behörden und ein Dokumenten-Ablagesystem ganz ohne Wörter.
Was machen die Helfer in der AG Begleitung?
Die Helferinnen und Helfer aus dem Team der AG Begleitung begleiten Flüchtlinge zu Terminen bei Ämtern und Behörden. Das sind z. B. das Sozialamt, Jobcenter, Ausländerbehörde, Arbeitsagentur oder Wohnungsamt. Auch wenn jemand mit Kindern einen Arzttermin hat, begleiten wir und passen auf die Kinder auf. Außerdem versuchen wir, die Termine vor- und nachzubereiten. Es gibt ja immer Formulare, die man mitnehmen muss. Es gibt keinen Termin, der so für sich alleine steht und dann erledigt ist. Dann ist es gut, wenn man mit im Blick hat, was die nächsten Schritte sind. Das ist das Hauptanliegen der AG.
Begleiten ein Helfer immer dieselbe Person oder wechselt ihr euch ab?
Das ist ganz unterschiedlich. Normalerweise ist es so: Wenn man mal eine Begleitung gemacht hat, bleibt man kontinuierlich an der Person dran. Das begrüßen wir auch. Aber es kommt immer wieder vor, dass jemand zu einem Termin keine Zeit hat. Dann suchen wir über die Verteilerliste jemanden, der diesen Termin übernehmen kann. Wir informieren den Begleiter über den Stand der Dinge, was bei diesem Termin gemacht werden muss und worauf zu achten ist. Deswegen ist es auch wichtig für uns, Leute in der AG zu haben, die vielleicht selten Zeit haben, aber sich immer mal wieder gerne einbringen wollen. Daher gibt es immer mehrere Begleiter für einen Flüchtling – und manche Helfer begleiten mehrere Flüchtlinge.
Was kommt auf mich als Helfer zu, wenn ich einen Flüchtling zu einem Termin begleite?
Wir haben schon viele Erfahrungen gemacht, worauf man achten muss und lassen neue Helfer nie alleine. Manchmal muss man gar nichts machen. Es gibt Begleitungen, da sitzt man nur daneben, passt auf und der Sachbearbeiter und der Flüchtling klären selber alles miteinander. Viele Flüchtlinge sprechen gut Deutsch, weil sie schon seit ein oder zwei Jahren hier sind. Dennoch ist es hilfreich, wenn eine Begleitung dabei ist, damit es nicht an irgendeiner Kleinigkeit hängt, dass ein Prozess nicht weitergehen kann. Das wäre ärgerlich. Wir versuchen auch, soweit es geht, die Selbstständigkeit der Flüchtlinge zu fördern, sodass sie irgendwann auch mal alleine zu Behörden gehen können. Deswegen versucht man als Begleiter, so passiv wie möglich zu bleiben. Aber wenn es nicht anders geht, greift man natürlich ein. Auch wenn jemand frisch angekommen ist und noch kein Wort Deutsch spricht, übersetzt man auf Englisch oder eine andere Sprache, so gut man kann. Man muss kein perfektes Englisch können. Ich kann es auch nicht – aber dafür reicht es. (lacht)
Für die Formulare selbst sind Sozialarbeiter zuständig. Helfer müssen die Formulare nicht ausfüllen, denn sie haben vielleicht auch gar nicht die ganzen erforderlichen Informationen über den Flüchtling. Das ist nichts, was man komplett alleine lösen muss. Es gibt immer einen, der es weiß.
Begleiten auch Dolmetscher die Behördentermine?
Das kommt ganz drauf an, mit wem man hingeht. Es ist hilfreich, wenn man selber Englisch spricht. Viele Flüchtlinge, die ich kenne, sprechen selbst auch schon gut genug Deutsch, sodass ich dann in der Lage bin, ihnen das „Behörden-Deutsch“ in „Normal-Deutsch“ zu erklären. Wichtig ist für den Begleiter nur, dass er das selber versteht, was derjenige vor einem sagt. Man kann immer nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Da muss man einfach nur ein bisschen aufpassen. Das ist nicht so schwierig, wie es sich anhört.
Zu dritt, also mit Dolmetscher, gehen wir seltener. Es kommt vor, dass neue Flüchtlinge oder Analphabeten keine andere Sprache als ihre Muttersprache sprechen. Dann nimmt man manchmal jemanden mit, der dieselbe Muttersprache spricht und schon ein bisschen Deutsch oder wenigstens Englisch spricht. Aber ich schicke sie nie zu zweit hin, denn der andere ist ja auch ein Fremdsprachler. Bislang hat immer alles geklappt.
Was hat es mit dem Ordnerprojekt auf sich?
Das Ordnerprojekt wurde ursprünglich vom Nachbarschaftskreis Ahlem initiiert. Die Flüchtlinge haben sehr viele Formulare, Dokumente, Papiere, die sie irgendwie aufbewahren, ausfüllen und verschicken müssen. Das Problem ist, dass die meisten so viel Papierkram nicht gewohnt sind. Sie haben die Unterlagen, wenn man Glück hat, auf einem Stapel oder in einer Tüte zusammen gesammelt.
Mit dem Ordnerprojekt versuchen wir, diese Dokumente systematisch abzulegen, und den Flüchtlingen, die mitmachen, auch die Inhalte von den Dokumenten zu erklären. Das erleichtert die ganzen Behördentermine oder Arztbesuche sowohl für den Begleiter als auch für den Flüchtling.
Damit man alles wiederfindet, gibt es einen Ordner mit verschiedenen sprachunabhängigen Registern: Dank der vielen beteiligten Personen wurde das Register mittlerweile weiterentwickelt, sodass es über Piktogramme funktioniert. Auf diese Weise können auch Leute, die vielleicht gar nicht lesen oder schreiben können oder unsere Buchstaben noch nicht gelernt haben, ihre Sachen vernünftig sortieren. Und diesen Ordner nehmen sie dann mit zu den Behördengängen.
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